Fehlerkorrektur - T'ai Chi Ch'uan (Yang-Stil) in Lübeck und klassisches Aikido

Direkt zum Seiteninhalt

Hauptmenü:

Fehlerkorrektur

Aikido > Lehrbriefe für Aikido

Die Fehlerkorrektur im Aikido-Unterricht
von Erhard Altenbrandt, 8. Dan Aikido





Kleine Fehler können nützlich sein,
wenn wir durch sie die großen
in den Griff bekommen!

Ernst Ferstl

Bild:
Erhard Altenbrandt, 8. Dan Aikido, bei der Korrektur
eines Shiho Nage vor Lehrgangsteilnehmern

Kapitelverzeichnis - ein Klick auf die Überschrift öffnet das entsprechende Kapitel

1.

Vorbemerkungen

2.

Erfolgserlebnis und Motivation

3.

Fehlerarten

4.

Methoden der Fehlerkorrektur

5.

Ursachen der Fehler

6.

Wichtige Hinweise

1.

Vorbemerkungen

 

Grundsätzlich können Fehler in der Aikido-Ausbildung nur dann korrigiert werden, wenn man diese erkannt hat. Oberstes Ziel des Übungsleiters muss es sein, die Fehler der Ausübenden frühzeitig zu erkennen und sofort mit der Korrektur zu beginnen. Ein Fehler im Bewegungsablauf einer Aikido-Technik, der durch fehlende, frühzeitige Korrektur bereits Bestandteil des Unterbewusstseins geworden ist, lässt sich nur selten und nur mit viel Aufwand beseitigen. Oft ist ein nicht rechtzeitig erkannter, schwerwiegender Fehler nicht mehr zu "reparieren", was die gesamte Evolution des Aikidoka nachteilig beeinflusst.
Die bei Kyu- und Dan-Prüfungen eingesetzten Prüfer können immer wieder feststellen, dass Prüflinge unter Leistungsdruck in "alte Fehler" verfallen, die im normalen Trainingsbetrieb nicht mehr oder kaum noch auftreten. Die ständige Korrektur und Hilfestellung durch einen Aikido-Meister bzw. Übungsleiter ist aufgrund der teilweise komplexen Bewegungsabläufe, sowie die mit der Technik Hand in Hand gehende Vermittlung der geistigen Inhalte, unerlässlich. Ein Studium nach dem Buch ist aus diesem Grunde im Aikido nicht möglich.
Man kann unschwer daraus ermessen, dass die Fehlerkorrektur eines der wichtigsten Bestandteile des praktischen Aikido ist.
Es liegt in der Natur der Sache, dass vor allem der Aikido-Anfänger eine Vielzahl von Fehlern macht, die unterschiedliche Ursachen haben und an den Übungsleiter hohe Anforderungen hinsichtlich der pädagogischen Fähigkeiten, Geduld und Wahl der Korrekturmethoden stellt. Der gute Übungsleiter muss unbedingt in der Lage sein, sich in die Lernphase des Anfängers zurückzuversetzen. Wenn der Aikidoka das Verständnis für seine Situation im Lehrer erkennt, gewinnt er das notwendige Vertrauen und kann so die wohlgemeinten Hinweise des Lehrers optimal verarbeiten.

 

Kontrollfragen:

 

F01:

Was ist die 1. Voraussetzung für die Fehlerkorrektur?

 

F02:

In welchem Stadium soll mit der Fehlerkorrektur begonnen werden? (mit Begründung)

 

F03:

Warum ist die rechtzeitige Fehlerkorrektur sehr wichtig?

Zurück zum Kapitelverzeichnis

2.

Erfolgserlebnis und Motivation

 

In jeder Übungsstunde muss der Übungsleiter bemüht sein, seinen Schülern (jedem Schüler!) ein "Erfolgserlebnis" zu vermitteln, wozu auch die Art der Fehlerkorrektur beitragen kann. Ein "Erfolgserlebnis" entsteht beim Aikidoka dann, wenn er z.B.

 

a)

b)

c)

heute eine Technik oder einzelne Elemente der vorgezeigten Technik nachvollziehen kann, die er gestern noch nicht kannte;
wenn er fühlt, dass er erstmals Bewegungsformen oder Arten der Grundschule aus dem Unterbewusstsein richtig ausführt und
wenn der Lehrer aufgrund einer relativ gut ausgeführten Bewegung ein Lob ausspricht.

 

Die Erfahrung zeigt, dass ein Lob des Lehrers die wesentlichste Motivation für das weitere Aikido-Studium darstellt. Diese Erkenntnis muss der Übungsleiter bei seiner Tätigkeit auch in der Fehlerkorrektur nutzen!
Auch der unbedarfte Aikido-Neuling, der erstmals auf der Tatami steht, wird bei der Einführung in die Technik "Shiho-Nage" oder "Ude-osae" nicht nur Fehler machen. Der gute Übungsleiter hat sich das Tadeln abgewöhnt!
Das Positive in einer Bewegungsform des Schülers zu suchen, zu erkennen und zu loben ist ein wesentlicher Bestandteil der Ausbildung.
Der Sprachgebrauch "die Technik (oder Bewegungsform) ist falsch" muss dem Sprachgebrauch "die Technik ist noch nicht ganz richtig", oder "die Technik kannst du noch verbessern" weichen! In der letzten Aussage erkennt der Schüler, dass er auf dem richtigen Weg ist und nimmt den Rat des Übungsleiters mit Ziel auf die perfekte Technik gerne und dankbar an.

 

Kontrollfragen:

 

F04:

Was ist vor der Fehlerkorrektur in der Anfängerausbildung für den Übungsleiter hinsichtlich des Ausbildungsstandes der Schüler sehr wichtig ?

 

F05:

Wie vermittelt der Übungsleiter einem Aikidoka während des Trainings ein "Erfolgserlebnis"?

 

F06:

Mit welchen der Lehrelemente "Lob" oder "Tadel" muss der gute Übungsleiter mehr arbeiten und warum?

Zurück zum Kapitelverzeichnis

3.

Fehlerarten

 

Wir haben erkannt, dass fehlerhafte Bewegungen rechtzeitig gesehen und abgestellt werden müssen. Wird in der Grundausbildung versäumt, schwerwiegende Fehler sofort auszumerzen, so ist es oft leichter, eine neue Bewegung zu erlernen, als den gefestigten Fehler abzustellen.

3.1

Anfänger- und Gewohnheitsfehler
Im Rahmen unserer Grundausbildung unterscheiden wir zunächst in "Anfängerfehler" und "Gewohnheitsfehler". Jeder Anfänger wird beim Aikido-Studium Fehler machen, da er die Grundschule und Technik noch nicht beherrscht. Diese Fehler sind für den erfahrenen Übungsleiter schnell zu erkennen und lassen sich auch verhältnismäßig leicht korrigieren.
Beispiel:
Bei der Grundform des "Sabaki" (mit Doppelschritt) macht der Anfänger nur einen Schritt. Durch ein- oder mehrmaligen Hinweis (mit Demonstration) durch den Übungsleiter wird der Aikidoka in kurzer Zeit diesen Fehler beheben.
Weitaus schwieriger ist es, den Gewohnheitsfehlern zu Leibe zu rücken. Gewohnheitsfehler entstehen z.B. durch vorangegangenes Selbststudium ohne Anleitung eines Lehrers (z.B. durch Bücher) oder sie wurden vom Übungsleiter übersehen und nicht rechtzeitig korrigiert. Nur durch systematisches Üben unter ständiger Kontrolle kann ein Gewohnheitsfehler allmählich beseitigt werden.
Beispiel:
Bei der seit geraume Zeit geübten Technik "Shiho-Nage" erfolgt in der Endphase ein starkes Abbeugen der Oberkörpers in der Hüfte (Schultereinsatz). Bevor der Übungsleiter den so wichtigen Einsatz des Körperzentrums vermitteln kann, muss er diesem Aikidoka mit viel Mühe eine aufrechte Körperhaltung beibringen.

3.2

Grobfehler und Feinfehler
Bei den vorgenannten Fehlerarten "Anfängerfehler" und "Gewohnheitsfehler" unterscheiden wir weiterhin in "Grobfehler" und "Feinfehler" . Das Hauptaugenmerk muss der Übungsleiter auf die Beseitigung der Grobfehler legen, da diese Grobfehler zum Misslingen der gesamten Technik führen.
Beispiel:
Ausbleibendes Sabaki bei der Technik "Shiho-Nage" gegen "Yokomen-uchi". Die unkorrekte Distanz und fehlende Körperdrehung muss zwangsläufig zum Verlust des eigenen Gleichgewichtes führen.
Feinfehler behindern den Bewegungsablauf nicht wesentlich, sind zweitrangig zu behandeln und machen dem Übungsleiter in der Regel auch weniger Mühe. Die Harmonie der Bewegung entsteht durch die Beseitigung der Feinfehler.
Beispiel:
Bei der Technik "Shiho-Nage" gegen "Yokomen-uchi" wird nach korrektem Sabaki der Schlagarm von Uke mit abgewinkeltem Arm von Nage geführt. (Kein Einsatz von "Te-Gatana")

 

Kontrollfragen:

 

F07:

Welches sind die Hauptfehlerarten in der Grundausbildung und wie entstehen diese?

 

F08:

Wie unterscheidet man "Grobfehler" und "Feinfehler"?

 

F09:

Welche Fehler müssen vordringlich beseitigt werden?

Zurück zum Kapitelverzeichnis

4.

Methoden der Fehlerkorrektur

 

Um überhaupt korrigieren zu können, muss der Übungsleiter in der Lage sein, die Technik selbst richtig auszuführen und zu erklären. Werden im Bewegungsablauf einer Technik mehrere Fehler festgestellt, so müssen diese nacheinander abgestellt werden! Dies gilt ganz besonders bei Anfängern. In der Korrektur den rechten Ton, das rechte Maß und das richtige Mittel bereitzuhalten, gehört zum pädagogisch-methodischen Können eines guten Übungsleiters. Eine Korrektur muss vom Aikidoka stets eindeutig als echte Hilfe angesehen werden. Wir unterscheiden drei Mittel, um den Schüler zu korrigieren und zu verbessern.

 

a)
b)
c)

verbal, indem man ihn auf den Fehler aufmerksam macht;
visuell, indem man ihm den Fehler bzw. die richtige Bewegung zeigt und
sensitiv, indem man ihn den Fehler bzw. den richtigen Bewegungsablauf fühlen lässt. (Zen-Lehre; "Mit dem Körper begreifen.")

 

Es ist sicher nicht ausreichend, dem Schüler den Fehler zu sagen. Sehr wichtig ist es, dem Schüler den Fehler zu zeigen. Besser ist es, den Fehler fühlen zu lassen. Aus Erfahrung wissen wir, dass die Methode c) im Aikido das wichtigste und erfolgreichste Mittel der Fehlerkorrektur ist.
Der Übungsleiter wird in der Fehlerkorrektur nur dann gute Ergebnisse erzielen, wenn er den Schüler überzeugt und dessen aktive Mitarbeit fördert

 

Kontrollfragen:

 

F10:

Welche Methoden zur Fehlerkorrektur gibt es?

 

F11:

Welche Methode der Fehlerkorrektur ist für die Aikido-Ausbildung am wichtigsten?

Zurück zum Kapitelverzeichnis

5.

Ursachen der Fehler

 

Für den Übungsleiter ist es wichtig, Fehler in Bewegungsfolgen zu erkennen und die Ursachen zu ergründen. Die Ursachen können physischer und psychischer Natur sein.

5.1

Fehler mit physischem Zusammenhang
Solche Fehler treten auf, wenn bestimmte Muskelgruppen zu schwach ausgebildet sind. Z.B. kann das fehlende Absenken des Körperzentrums in der Endphase der Technik Shiho-Nage auf zu schwach ausgebildete Oberschenkel-Muskulatur zurückgeführt werden. Der Übungsleiter wird bei Erkennen der Ursache durch zweckmäßige Kräftigungsübungen (wie z.B. Kniebeugen) für Abhilfe sorgen.

5.2

Fehler mit psychischem Zusammenhang
Das vorhandene Angstgefühl ist ein Mangel an psychischer Voraussetzung, welches die richtige Ausführung einer Technik stark behindern wird. Z.B. kann bei einem stark geführten Yokomen-uchi-Angriff die Angst von Nage jede weitere Bewegung (ausweichendes Sabaki) im Keim ersticken.
Hier hat der Übungsleiter die Aufgabe, den Schüler vor Einweisung in die Technik, z.B. Shiho-Nage gegen Yokomen-uchi, "frei" zu machen. Dies kann durch geeignete Vorübungen geschehen, wie z. B. Formen des Sabaki mit Partner u .a .m., um diese Technik langsam aufzubauen.

5.3

Sonstige Fehlerursachen
Weitere Ursachen für Fehler sind z.B. die dem Aikido eigentümlichen natürlichen und harmonischen Bewegungen, in denen der Mensch aufgrund der fortschreitenden Technisierung nicht mehr geübt ist.
Bei nachlassender Kondition schleichen sich ebenfalls Fehler ein, die der Übungsleiter ursächlich erkennen muss, um mit geeigneten Maßnahmen zur Konditionsschulung Abhilfe schaffen zu können.
Als letzte Ursache für Fehler möchte ich die mangelnde Motivation durch den Übungsleiter anführen, denn letztlich muss der Schüler auch gewillt sein, eine Technik richtig auszuführen. Unlust ist ein schlechter Diener für die Evolution des Aikido.

 

Kontrollfragen:

 

F12:

Was sind die beiden Hauptursachen der Fehler?

 

F13:

Welche Maßnahmen kann der Übungsleiter ergreifen, um vorgenannte Fehlerursachen abzustellen?

 

F14:

Nenne weitere Fehlerursachen mit Beispielen zur Beseitigung

Zurück zum Kapitelverzeichnis

6.

Wichtige Hinweise

 

Im Hinblick auf jede Art von Fehlerkorrektur muss der Übungsleiter bemüht sein, auf jeden Einzelnen der Übungsgruppe einzugehen. Der Übungsleiter muss lernen, die Gesamtgruppe wie auch die einzelnen Mitglieder im Auge zu behalten. Es geht um die Entfaltung einzelner, individuell begabter, verschieden veranlagter und entwickelter, vielleicht gehemmter, gefährdeter Menschen, die unserer Hilfe und Förderung bedürfen. Bei der Fehlerkorrektur muss der Übungsleiter große Geduld aufbringen. Er darf seinen Schülern nie die eigenen Maßstäbe aufzwingen wollen!
Es gilt, die Stärke der Gruppenmitglieder zu ergründen, diese positiv herauszustellen und die Fehlerkorrektur daran zu orientieren.

Zurück zum Kapitelverzeichnis

 

© Erhard Altenbrandt, 8. Dan Aikido
Alle Rechte, auch das der Übersetzung, ausdrücklich vorbehalten.
Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Verfassers gestattet.

Zurück zum Seiteninhalt | Zurück zum Hauptmenü