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Die drei Kreise - Bericht vom Landeslehrgang in Musberg am 2./3.12.06
Was für ein eindrucksvoller Anblick! In der Alten Festhalle in Musberg säumten über 90 Aikidoka das Mattenrechteck gegenüber der Kamiza-Seite. Hier stand Rolf Brand, 8. Dan Aikido. Er war der Anlass für die überwältigende Teilnehmerzahl zu Beginn des Landeslehrgangs der Aikido-Union Baden-Württemberg (AUBW) am ersten Dezemberwochenende 2006.
Einige Anfänger hatten noch kurz davor im heimischen Verein ihre Gelbgurtprüfung absolvieren dürfen, um bei diesem Ereignis aktiv dabei sein zu können. Sie kannten Meister Rolf Brand nur vom Hörensagen und wollten ihn unbedingt wenigstens einmal selbst erlebt haben. Handelte es sich doch um den letzten offiziellen Lehrgang, den der hoch gerühmte Aikido-Lehrer hier vor seinem Rücktritt von allen Aikido-Ämtern am 7. Februar 2007 gab. Deswegen waren auch viele Aikido-Meister bis hin zum 4. Dan gekommen, zum Teil sogar aus anderen Verbänden.
Lehrgangsleiterin ISI Morgenstern vermutete in ihrer Begrüßung, dass Meister Rolf während der langen Bahnfahrt von Lübeck nach Stuttgart sich etwas Schönes für dieses Training ausgedacht hätte. Doch Rolf entgegnete lachend, er habe sich dazu überhaupt noch keine Gedanken gemacht. Einem Meister mit über 50-jähriger Erfahrung stünde es schlecht an, sich noch detailliert vorbereiten zu müssen. Er lasse während des Mokuso (Konzentration) die Atmosphäre des Dojo auf sich wirken und unterrichte dann spontan - Aikido.
Rolf, der im April 2007 seinen 75. Geburtstag feiern kann, leitete das Aufwärmtraining selbst und beeindruckte diejenigen, die ihn noch nicht kannten, bereits damit. Spielerisch entwickelte er im Technikteil sein Hauptthema für diesen zweitägigen Lehrgang: die drei Kreise. Für die Kyu-Grade sei bei den Aikido-Techniken die korrekte Ausführung der großen Kreise wichtig, für die unteren Dan-Grade die der mittleren und für die höheren Dan-Grade die der kleinen. „Meister Brands Kreise - oft kopiert und nie erreicht", schmunzelte Rolf bei der Demonstration seiner Techniken. Und wie recht er hatte! Ob zum Beispiel beim Kaiten-Nage, Irimi-Nage oder Kokyu-Nage - jeder Teilnehmer hatte Mühe, auf seinem Leistungsniveau die in verschiedenen Ebenen liegenden und sich oft überlagernden Kreise und Spiralen optimal umzusetzen.
Der verehrte Aikido-Lehrer betreute die große Trainingsgruppe sehr individuell. Für manche kam es einem Ritterschlag gleich, von ihm ein Lob zu erhalten: „Wenn man den Irimi-Nage so macht, dann kommt auch der Weihnachtsmann mit schönen Gaben!" Andere wollten möglichst alles mitnehmen, was sie an diesem Wochenende von ihm erhalten konnten, und hingen auch bei den Anekdoten, die Rolf themenbezogen aus seinem langen Budo-Leben erzählte, aufmerksam an seinen Lippen.
Am Sonntagvormittag überglänzte die Wintersonne die Wehmut, die sich im Dojo ausbreitete. Das sollte nun die letzte Trainingseinheit sein, die wir von Rolf als faszinierendem Aikido-Lehrer erhalten würden. Er ließ in zwei Gruppen üben, wobei die Dan-Grade bei Stabtechniken sich um kleine Kreise bemühen konnten, die Schülergrade um große Kreise bei den für sie angemessenen Grundtechniken.
Gegen Ende des Lehrgangs bewegte Meister Rolf uns alle mit einer sehr persönlichen Abschiedsrede. Wir saßen im Kreis um ihn herum und hatten teilweise Mühe, die Tränen zurückzuhalten. Für die gastgebende Aikido-Gruppe vom TSV Musberg bedankte sich ISI Morgenstern mit Meditationsmusik auf CD. Ein Weingeschenk gab es von Jürgen Weithofer im Namen der einladenden AUBW.
Für die Aikido-Union Deutschland (AUD) sprach Dr. Stephan Gronostay in seiner Eigenschaft als Vizepräsident Organisation und gleichzeitig als langjähriger Schüler von Meister Rolf. In seiner Rede dankte er für dessen Tätigkeit als Initiator, Gründer und überragendem Lehrer und vor allem Kyoshi der AUD. Für den Verband überreichte er im blauen Schmuckkarton eine Sonderanfertigung der Porzellanmanufaktur Höchst: einen Wandteller mit dem farbigen AUD-Emblem im Platinrand, auf der Rückseite eine persönliche Widmung an Rolf durch das Präsidium.
Am Schluss legte Rolf Brand uns allen eine Botschaft von Antoine de Saint-Exupéry ans Herz: „Geh´ nicht nur die glatten Strassen! Geh´ Wege, die noch niemand ging, damit du Spuren hinterlässt und nicht nur Staub!"
Als Schlüsselfigur für die Entwicklung und Förderung des Aikido in Deutschland und Europa hat er selbst gerade das getan.
Harald Ketzer
SC Steinberg 1953 e.V.
Impressionen vom Landeslehrgang in Musberg am 2./3.12.2006
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