Verkettungen - T'ai Chi Ch'uan (Yang-Stil) in Lübeck und klassisches Aikido

Direkt zum Seiteninhalt

Hauptmenü:

Verkettungen

Aikido > Aikido-Lehrbuch

9

Verkettung von Aikido-Techniken

 

Eisblumen bestehen nur aus zwei Elementen und sind doch von unendlicher Vielfalt!

9.1

Vorbemerkung

 

Die in Abschnitt 6 vorgestellten Grundtechniken des klassischen Aikido können in vielen Variationen zur wirksamen Abwehr unterschiedlich angreifender oder bewaffneter Gegner eingesetzt werden. Diese Tatsache ist für den Schüler im Anfangsstadium zunächst noch sehr verwirrend, denn er bewertet alle Elemente, Vorübungen und Techniken als in sich geschlossene Aufgaben und Übungsteile. Durch fleißiges Training vergrößert sich im Laufe der Jahre jedoch sein Erfahrungshorizont, bis ihm eines Tages deutlich wird, dass die Einheit in der Vielfalt begründet liegt. Das mit dem intensiven Studium des Aikido verbundene Bemühen und Erleben führte ihn zum Ursprung zurück, jedoch befindet er sich dann auf einer höheren Erkenntnisstufe. Der Aikidoka erfüllt nun alle Voraussetzungen, die einen guten Lehrer auszeichnen. Ob und in welchem Umfang er dieses Kapital jedoch zur Förderung anderer Menschen einsetzt, hängt von seinen charakterlichen Qualitäten ab.

9.2

Schlüsselpositionen

 

Jedem Meister ist bewusst, dass alle Grundtechniken des Aikido aus den gleichen Elementen bestehen. Relativ selten wird hingegen erkannt, dass es auch Bewegungsverwandtschaften oder Übereinstimmungen in den durchlaufenen Positionen gibt, die Zusammenhänge deutlich machen und nützliche Rückschlüsse erlauben. Die bei der Analyse gewonnenen Erkenntnisse lassen eine Einordnung der Elemente oder Techniken nach der Häufigkeit ihrer Anwendung oder anderen Kriterien zu. So ergibt sich eine Wertigkeitsskala, die Einfluss auf den Trainingsumfang hat und die Bildung von Übungsschwerpunkten oder methodischen Reihen erlaubt.
Durch die Vermittlung des so aufbereiteten Lehrstoffes wird der Aikidounterricht transparenter und effektiver. Erkennen und Verstehen der Zielvorgabe fördern das Interesse sowie die Anstrengungsbereitschaft der Schüler, und dem Lehrer werden neue Möglichkeiten der kreativen und abwechslungsreichen Gestaltung seines Unterrichts geboten.
Als Beispiel für die vorstehenden Ausführungen soll die relativ häufig auftretende Schlüsselposition »Katate-tori (ai-hanmi)« dienen. Sie ist im nachfolgenden Diagramm gleichsam Neutralisationspunkt für drei verschiedene Angriffe und Ausgangsstellung für drei differenzierte Verteidigungstechniken im Stand, so dass sich insgesamt neun Variationen ergeben.


Das Diagramm könnte z. B. Grundlage für die Unterrichtung einer Gruppe mit unterschiedlichen Graden sein. Alle gemeinsam durchgeführten Vorübungen und methodischen Reihen müssen sich dann jedoch auf die Schlüsselposition stützen. Die bei der kurzen Erläuterung gewonnenen Erkenntnisse lassen sich auf das folgende Zentralthema übertragen.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

9.3

Verkettungen (Allgemeines)

 

In Übereinstimmung mit der vom Verfasser entwickelten Prüfungsordnung für Aikido-Dan-Grade, die von bedeutenden Aikido-Fachverbänden übernommen wurden, sind bei der Prüfung zum 4. Dan die vom Begründer des Aikido, O Sensei Morihei Ueshiba, vorgegebenen sieben klassischen Verkettungen beidseitig zu demonstrieren.
Bei Anwärtern auf den 5. Dan steigen die Anforderungen, denn sie müssen im Verlauf der Vorbereitungszeit die in der Prüfungsordnung vorgegebenen dreizehn freien Verkettungen unter Wahrung der Elemente und Prinzipien studieren und bei ihrer Prüfung vorführen. Die Bewältigung dieser Aufgabe zwingt den Meister zu einer langjährigen konzentrierten Zuwendung, die für seine eigene Entwicklung sehr wertvoll ist.
Der suchende Meister muss alle Grundtechniken in starker Form (Kakari-Geiko) sicher beherrschen und ihre wirksamen Schwerpunkte und Schwachstellen kennen. Dies setzt ein intensives praktisches Forschen nach den Möglichkeiten und Grenzen voraus.
Eine Verkettung im Sinne der folgenden Ausführungen ist die zweckmäßige Verbindung von mindestens zwei Aikidotechniken unter Wahrung der Elemente und Prinzipien des klassischen Aikido nach einem einleitenden Angriff. Es handelt sich dabei um komplexe Übungsformen, die an das Vermögen der ausführenden Aikidoka hohe Anforderungen stellen. Dazu zählen:

  • Sichere Beherrschung des eigenen Körperzentrums, dabei Wahrung des statischen und dynamischen Gleichgewichts auch unter äußeren Einwirkungen.

  • Gutes Reaktionsvermögen und ausgeprägtes Gefühl für den »rechten Augenblick«, da sich die Ansatzpunkte im Verlauf einer fließenden Bewegung nur »momentan« ergeben.

  • Vermögen zur zielstrebigen und sicheren Ausführung der Folgetechnik in guter Stellung und mit konzentrierter Atemkraft (Kokyu).

  • Verständnis für die Einheit von Angriff und Verteidigung, da die hieraus resultierende Emotionslosigkeit zur geistigen Gelassenheit und körperlichen Entspannung führt.

  • Gediegene Beherrschung der Elemente und Prinzipien des Aikido.

  • Gute technische Fertigkeiten hinsichtlich der Ausführung aller in den Verkettungen enthaltenen Grundtechniken und ihrer freien Anwendung (Jiyu-Waza).

  • Zum Zwecke einer klaren Abgrenzung ist es notwendig, die wesentlichen Voraussetzungen und charakteristischen Grundlagen zu fixieren. Nur so lassen sich vorgegebene beziehungsweise bekannte Verkettungen reproduzieren und neue Formen entwickeln.

  • Sinnvolle Angriffsarten gemäß Prüfungsordnung für Aikido-Kyu-Grade - siehe Abschnitt 6.1 - sind im ersten Glied der Verkettung zwingend vorgeschrieben und nur hier erlaubt. Im anderen Fall würden Charakter und Reinheit der Verkettungen eingeschränkt (Übergang zu speziellen Formen des Jiyu-Waza).

  • Vom einleitenden Angriff an müssen alle Glieder der Verkettungen aus Elementen, Techniken und Prinzipien des klassischen Aikido bestehen.

  • Der Angreifer muss seine Aktionen nach Art, Stärke und Richtung beibehalten, solange ihm dies ungehindert möglich ist.

  • Uke darf sich gegebenenfalls dem Einfluss der auf ihn wirkenden Techniken durch natürliche Abwehrreaktionen zu entziehen versuchen.

  • Ändert sich ein Glied der Verkettung, handelt es sich um eine differenzierte Form der Ausführung.

  • Die Verkettungen dürfen keine unnatürlichen oder akrobatischen Übungsteile enthalten; alle Verbindungen müssen dem natürlichen Bewegungsfluss der Techniken entsprechen.


Unter Fachleuten besteht sicher kein Zweifel daran, dass fehlerfrei und in starker Form (Kakari-Geiko) ausgeführte Aikidotechniken immer zum beabsichtigten Erfolg (Wurf oder Neutralisation des Angreifers) führen, so dass Gegenreaktionen unmöglich sind. Ansatzpunkte für die Einleitung und Ausführung von Verkettungen ergeben sich daher nur unter folgenden Voraussetzungen:

  • Fehler des Partners bei Ausführung einer Aikido-Technik in qualitativer Hinsicht und damit verbundene Aufgabe der Kontrolle.

  • Durch die Technik vorgegebene oder von Nage herbeigeführte Richtungswechsel im Bewegungsfluss (Wendephasen).

  • Momentanes »Vakuum« beim Wechsel der Prinzipien Irimi und Tenkan (Aktionsphasen).

  • Bewegungstotpunkte bei Änderung der Stellung, Ausführung oder Angriffsart als Folge notwendiger Korrekturen oder aufgetretener Unsicherheit (Neutralisationsphasen).

  • Gezielte oder unbeabsichtigte Ablenkung des Partners und damit verbundene Störung der Konzentration oder des Flusses der Atemkraft (Desorganisationsphasen).

  • Gleichschaltung von Bewegungen oder Teilbewegungen – zum Beispiel der Schwerthände – im Verlauf einer Technik (Koordinationsphasen).


Verkettungen nehmen die Form einer »Kombination« an, wenn die ursprüngliche Rollenverteilung beibehalten wird. Hierbei wendet Nage eine Aikidotechnik an, um nach natürlicher Reaktion von Uke eine günstige Ausgangsposition und gute Wirkungsmöglichkeiten für die folgende Aikidotechnik zu gewinnen.
Verkettungen nehmen die Form einer »Gegentechnik« an, wenn sich die ursprüngliche Rollenverteilung im Verlauf der Ausführung ändert (Nage wird Uke und umgekehrt). Dies ist bei längeren Verkettungen wiederholt möglich. Der jeweilige Nage nutzt hierbei die sich im Verlauf der Ausführung einer –  meist fehlerhaften – Aikidotechnik bei seinem Partner ergebenden Bewegungsabläufe, Stellungen oder Abwehrreaktionen zum Ansatz oder zur Ausführung der eigenen Aikidotechnik.

Es ist unbedingt notwendig, das Rollenspiel wertneutral zu betrachten und - auch gedanklich - keine Polarität zwischen Angreifer und Verteidiger herzustellen. Die Verkettungen sind im Aikido also eine Übungsform mit besonderen Lehrinhalten und ohne kämpferischen Charakter.
Beide Partner demonstrieren die Aufhebung der Gegensätze, den ständigen Wechsel zwischen Irimi und Tenkan, die Möglichkeit der freien Entscheidung in allen Situationen und den Übergang von der einleitenden Polarität zur abschließenden Harmonie.
Unter Berücksichtigung der möglichen Rollenverteilung (Nage und Uke) sowie der angewandten Techniken ergibt sich die in der nachfolgenden Übersicht gewählte Gliederung. Diese und die freien Verkettungen entwickelte der Verfasser für seine Zulassungsarbeit zum vierten Dan. (Die mit • gekennzeichneten klassischen Verkettungen sind Bestandteil der Prüfungsordnung für den vierten Dan; die übrigen freien Verkettungen sind dem fünften Dan zugeordnet.)

Gleiche Rollenverteilung, gleiche Technik:
Yokomen-uchi – Shiho-Nage – Shiho-Nage
Katate-tori – Kaiten-Nage (uchi) – Kaiten-Nage (uchi)
Katate-tori – Kote-Gaeshi – Kote-Gaeshi
Ushiro-ryote-tori – Koshi-Nage-kote-hineri – Koshi-Nage-kote-hineri
Shomen-uchi – Ude-osae – Ude-osae (Tenkan)

Wechselnde Rollenverteilung, gleiche Technik:
Shomen-tsuki – Kote-Gaeshi – Kote-Gaeshi
Ushiro-ryote-tori – Irimi-Nage – Irimi-Nage
Shomen-uchi –  Kaiten-Nage (uchi) – Kaiten-Nage (uchi)
Yokomen-uchi – Shiho-Nage – Shiho-Nage
Shomen-uchi – Ude-osae – Ude-osae

Gleiche Rollenverteilung, wechselnde Technik:
• Yokomen-uchi – Shiho-Nage – Kote-Gaeshi
Katate-tori – Kaiten-Nage (uchi) – Irimi-Nage
Ushiro-ryote-tori – Shiho-Nage – Ude-kime-Nage
Shomen-tsuki – Kote-mawashi – Tekubi-osae
Mune-tori– Kote-mawashi – Kote-hineri


Wechselnde Rollenverteilung, wechselnde Technik:
• Shomen-tsuki – Kote-Gaeshi– Irimi-Nage
• Shomen-uchi – Kote-Gaeshi – Ude-kime-osae
Yokomen-uchi – Shiho-Nage – Irimi-Nage
Ushiro-ryote-tori – Irimi-Nage – Ude-osae (Tenkan)
• Shomen-tsuki - Kote-mawashi – Kote-hineri

Nachfolgend werden je zwei klassische und freie Verkettungen vorgestellt und beschrieben.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

9.3.1

Klassische Verkettungen

 

Shomen-tsuki – Kote-Gaeshi – Irimi-Nage
(Gerader Stoß – Handgelenkaußendrehwurf - Eingangswurf)

 

Uke greift mit einem (Messer-) Stoß von unten (Gedan) an und bewegt sich dabei nach vorn (Abb. 645). Sofort nach Überschreiten der Distanz (Ma-ai) vollzieht Nage eine Schrittdrehung nach außen (Tenkan-ashi) und leitet damit konsequent den vorgesehenen Handgelenkaußendrehwurf (Kote-Gaeshi) ein (Abb. 646–648).
Im Augenblick der zur Beugung des Handgelenks notwendigen - eintretenden - Gegenbewegung verlagert Uke seine Körpermitte durch einen Gleitschritt (Tsugi-ashi) extrem nach vorn und entzieht sich dem schmerzhaften Druck auf das Handgelenk durch die damit verbundene Drehung des bisher geführten Armes (Abb. 649, 650).
Durch diese Ausweichbewegung werden zwischen den Ausübenden Rolle und Technik gewechselt! Nage (bisher Uke!) führt nun eine Doppelschrittdrehung (Tai-sabaki) aus, tritt dabei hinter den Partner und führt diesen in eine Kreisbewegung (Abb. 651–653). Anschließend vollendet er die Technik mit einem schulmäßigen Eingangswurf (Irimi-Nage) und wirft Uke nach rückwärts ab (Abb. 654, 655).

Zu 9.3.1

Klassische Verkettung

(wechselnde Rollenverteilung,
wechselnde Technik)

Shomen-tsuki –
Kote-Gaeshi –
Irimi-Nage

Ein Klick auf die
Miniatur vergrößert
das ausgewählte Bild!


Bilder 645-655

 

Shomen-tsuki – Kote-mawashi – Kote-hineri
(Griff zum Revers – Armdrehhebel-Haltegriff - Handdrehhebel-Haltegriff)

 

Uke überwindet die Distanz (Ma-ai) durch Fußgehen (Ayumi-ashi) und führt einen Griff zum Revers bzw. einen Fauststoß im mittleren Körperbereich (Chudan) aus (Abb. 656, 657).
Nage führt eine Schrittdrehung nach rückwärts (Tenkan-ashi) aus, leitet den Griffansatz zum Armdrehhebel-Haltegriff (Kote-mawashi) ein und zieht den Angreifer in seine Bewegung (Abb. 658). Anschließend führt er die genannte Technik ohne Verzögerung weiter aus (Abb. 659).
Uke entzieht sich der schmerzhaften Verhebelung des Handgelenkes, indem er sein Körperzentrum – dem Druck folgend – zunächst entspannt absenkt und dann nach vorn aus der senkrechten Wirkungsebene verschiebt. Dabei konzentriert er sich auf den Ansatzpunkt der wirkenden Kräfte (Handgelenk!) und windet den gebeugten vorderen Arm in Übereinstimmung mit der Bewegung des Körpers aus dem Griff (Abb. 660, 661).
Wie bei der ersten Verkettung werden in dieser Phase auch hier Rolle und Technik gewechselt! Nage (bisher Uke!) übernimmt nun die Initiative durch Doppelschrittdrehung (Tai-sabaki) und bewegt sich um den noch in starker Stellung stehenden Partner herum in eine günstige Position. Dabei leitet er die Folgetechnik ein (Abb. 662–663). Anschließend wird der Handdrehhebel-Haltegriff (Kote-hineri) in negativer Form (Tenkan) bis zur Fixierung am Boden ausgeführt (Abb. 664–666). Andere Angriffe (z.B. Mune-tori), Prinzipien oder Variationen sind möglich.

Zu 9.3.1

Klassische Verkettung


(wechselnde Rollenverteilung,
wechselnde Technik)

Mune-tori bzw. Shomen-tsuki –
Kote-mawashi –
Kote-hineri


Ein Klick auf die
Miniatur vergrößert
das ausgewählte Bild!


Bilder 656-666


Zurück zum  Inhaltsverzeichnis

9.3.2

Freie Verkettungen

 

Katate-tori – Kaiten-Nage (uchi) – Irimi-Nage
(Griff einer Hand – Schleuderwurf [innen] – Eingangswurf)

 

Uke ergreift aus der Bewegung Nages vordere Schwerthand (Tegatana) und wird von diesem durch ausweichende Schrittdrehung (Tenkan-ashi) beschleunigt auf eine Kreisbahn geführt (Abb. 667, 668).
Nage stoppt die Drehbewegung seines kontrollierten Köperzentrums plötzlich ab und nutzt das dadurch entstehende »Kräftevakuum« für den gegenläufigen Eingang (innen) zum Schleuderwurf (Abb. 669–672).
Die beabsichtigte Gleichgewichtsbrechung kann jedoch nicht erfolgen, da Uke sofort Front zum Partner macht und so sein Zentrum wieder unter Kontrolle bekommt (Abb. 673, 674).
Nage leitet den Wechsel der Technik spontan durch die Verkürzung der Distanz (Ma-ai) ein und löst dabei den noch bestehenden Griff der Hand (Abb. 675). Durch eine Doppelschrittdrehung (Tai-sabaki) gelangt er bei korrekter Weiterführung des Angriffsarmes schnell hinter Uke und kann diesen durch den Griffansatz zum Eingangswurf (Irimi-Nage) erneut auf eine Kreisbahn um das eigene Körperzentrum führen (Abb. 676–678).
Die Technik wird durch einen schulmäßigen Abwurf des Partners nach rückwärts beendet. Sie zeichnet sich durch einen schönen Bewegungsablauf und weiche Richtungswechsel aus. Diese Verkettung kann auch von Schülern der unteren Grade geübt werden und vermittelt ihnen ein besonderes Bewegungserlebnis (Abb. 679, 680).

Zu 9.3.2

Freie Verkettung


(gleiche Rollenverteilung,
wechselnde Technik)

Katate-tori –
Kaiten-Nage (uchi) –
Irimi-Nage

Ein Klick auf die
Miniatur vergrößert
das ausgewählte Bild!


Bilder 667-680

 

Ushiro-ryote-tori – Irimi-Nage – Ude-osae (Tenkan)
(Griff beider Hände von hinten – Eingangswurf – Armstreckhebel-Haltegriff)

 

Uke umfasst aus der Bewegung zunächst die vordere Schwerthand in gleichseitiger Stellung (ai-hanmi), geht um Nage herum und versucht, die zweite Hand von hinten zu ergreifen (Abb. 681 - 683).
Der Verteidiger verbessert seine Stellung sofort durch Absenken des Körperzentrums und kommt dem Angriff scheinbar entgegen (Abb. 684). Tatsächlich lässt er seine Energie (Ki) jedoch verstärkt in die zuerst erfasste Schwerthand fließen, führt den Angreifer dadurch an seiner Rückseite vorbei und gewinnt nach Zurücknahme der linken Hüfte die Ausgangsstellung zum Eingangswurf (Abb. 685-687). Dieser wird durch die weiterführende Schrittdrehung (Tenkan-ashi) und die sich anschließende – eintretende – Bewegung fortgeführt (Abb. 688).
In dieser Bewegungsphase wechseln Rolle und Technik! Nage (bisher Uke!) stabilisiert sein Körperzentrum, führt Ukes freien Arm nach oben und leitet den Armstreckhebel-Haltegriff (Ude-osae) in negativer Form (Tenkan oder Ura) als Folgetechnik ein (Abb. 689, 690). Die durch seine zentrierte Doppelschrittdrehung (Tai-sabaki) freigestellte Energie wird auf Uke übertragen, stört dessen Gleichgewicht empfindlich und bringt ihn zu Fall (Abb. 691–694). Anschließend erfolgt die für den Armstreckhebel-Haltegriff charakteristische Fixierung in der Bodenlage (Abb. 695-697).

Zu 9.3.2

Freie Verkettung


(wechselnde Rollenverteilung,
wechselnde Technik)

Ushiro-ryote-tori –
Irimi-Nage –
Ude-osae

Ein Klick auf die
Miniatur vergrößert
das ausgewählte Bild!


Bilder 681-697

9.4

Schlüsseltechniken

 

Beim Studium der Verkettungen kann man feststellen, dass sich einige Grundtechniken des Aikido besonders als »Bindeglieder« eignen. Sie werden als »Schlüsseltechniken« bezeichnet und erlauben die Bildung von Mehrfachverkettungen gemäß folgendem Schema:



Damit ist ihre Bedeutung und Anwendungsbreite jedoch noch nicht erschöpft. Durch die Auswahl sinnvoller Angriffsarten und Abschlusstechniken lassen sich auch Verkettungsvarianten mit gleichem oder wechselndem Rollenspiel entwickeln, wie die nachfolgenden Beispiele zeigen. Durch die Anwendung der Schlüsseltechniken – im vorliegenden Fall wurden Ude-osae und Irimi-Nage gewählt – können alle Angriffe mit den Abschlusstechniken »verkettet« werden. Bei Berücksichtigung der in Abschnitt 9.3 festgelegten Voraussetzungen ergeben sich im vorliegenden Fall jeweils mindestens 36 Varianten.


9.5

Zusammenfassung

 

Durch die Verkettung der Techniken des klassischen Aikido entstehen komplexe Übungsformen, die an den Ausübenden hohe Anforderungen stellen. Ihr Studium kann für den Aikidoka nur dann nützlich sein, wenn er die in Abschnitt 9.3 aufgezählten Voraussetzungen erfüllt. Das regelmäßige Training der Verkettungen sollte erst ab 2. Dan erfolgen.
Abschließend sei darauf hingewiesen, dass sich die Aikido-Techniken auch im Rahmen der besonderen Übungsformen (Hanmi-hantachi und Suwari-Waza) miteinander verbinden lassen.

Zurück zum Seiteninhalt | Zurück zum Hauptmenü